Interkulturelles Dolmetschen: Mehr als Übersetzen

In einem vorigen Post sind wir bereits auf die zwei Methoden des Dolmetschens eingegangen: Simultan- und Konsekutivdolmetschen

Bei dolmX sprechen wir oft von interkulturellem Dolmetschen. Worum geht es dabei genau?

Zunächst einmal: Interkulturelles Dolmetschen ist keine weitere Methode des Dolmetschens. Interkulturelles Dolmetschen findet immer konsekutiv statt. Stattdessen unterscheidet sich das interkulturelle Dolmetschen von zum Beispiel dem Dolmetschen auf einer Konferenz durch seinen Anspruch: Interkulturelles Dolmetschen dient dazu, Menschen Zugang zu Dienstleistungen im öffentlichen Bereich zu ermöglichen und dadurch Teilhabe und Integration zu erleichtern.

Definition

Die schweizerische Interessensvertretung für interkulturelles Dolmetschen und Vermitteln INTERPRET definiert interkulturelles Dolmetschen wie folgt:

Interkulturelles Dolmetschen bezeichnet das beidseitige Dolmetschen in einer Kommunikationssituation zwischen Personen unterschiedlicher Sprache mit dem Ziel, eine Kommunikation und den gleichberechtigten Zugang zu Dienstleistungen zu ermöglichen.“

Ganz zentral ist also, dass ein interkulturell Dolmetschender eine Beziehung zu den Gesprächsteilnehmenden aufbaut und sicherstellt, dass wirklich alles verstanden wird. Manchmal reicht das reine Übersetzen für Verständigung nicht aus. Zum Beispiel wenn es um das Ausfüllen eines Antrags auf einer Behörde geht – weiss die Zielperson überhaupt, warum der Antrag ausgefüllt werden muss und wofür die Behörde zuständig bzw. nicht zuständig ist? Der interkulturell Dolmetschende hat solche Fragen im Blick und berücksichtigt sie in der Dolmetschsituation. Und Fachpersonen, die einen Einsatz im interkulturellen Dolmetschen buchen, werden von Vermittlungsanbietern wie dolmX dafür sensibilisiert, dass interkulturell Dolmetschende dabei helfen können zu signalisieren, wenn noch Lücken bis zur vollständigen Verständigung bestehen.

Deshalb spricht man beim interkulturellen Dolmetschen auch oft von einem Trialog, also einem Gespräch, an dem drei Parteien beteiligt sind: der oder die interkulturell Dolmetschende, Fachperson(en) und Zielperson(en).

Wichtig ist allerdings auch zu betonen, dass interkulturell Dolmetschenden keine Moderatorenrolle zukommt. Die Gesprächsleitung bleibt immer bei der Fachperson, die das Gespräch organisiert hat. Diese steuert das Gespräch und bestimmt, über welche Themen gesprochen wird. Der interkulturell Dolmetschende baut die Verständigungsbrücke zum Gesprächspartner.

Ein Grossteil von interkulturell Dolmetschenden hat selber einen Migrationshintergrund und ist so aus eigener Erfahrung besonders sensibel dafür zu verstehen, wo Verständnisschwierigkeiten liegen können, die durch kulturelle Unterschiede bedingt sind.

Ausbildung

Für die Ausbildung zum interkulturell Dolmetschenden gibt es in der Schweiz die Möglichkeit, das Zertifikat INTERPRET des bereits genannten Interessenverbands zu erwerben. Hierzu sind Praxiserfahrung, theoretische Module, Supervision von Dolmetscheinsätzen und natürlich Sprachprüfungen zur Sicherstellung des Sprachniveaus notwendig. Bei dolmX ist uns wichtig, dass möglichst viele unserer Dolmetschenden das Zertifikat INTERPRET vorweisen können, und wir unterstützen unsere Dolmetschenden aktiv auf dem Weg dahin, das Zertifikat und weitergehende Qualifikationen zu erwerben.

Auf dem Zertifikat INTERPRET aufbauend besteht die Möglichkeit, einen eidgenössischen Fachausweis für interkulturell Dolmetschende und Vermittelnde zu erwerben. Dieser Fachausweis, der vom SBFI (dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation) ausgestellt wird, erfordert eine zeit- und kostenintensive Ausbildung, die nachweist, dass die dolmetschende Person in der Lage ist, auch in anspruchsvollen Situationen, vor allem im Justiz- und Asylbereich, kompetent und auf hohem Niveau für interkulturelle Verständigung zu sorgen. Dolmetscher mit dem eidgenössischen Fachausweis werden häufig festangellt bei Gerichten oder Behörden. Manche arbeiten aber auch weiterhin freiberuflich – zum Beispiel bei dolmX.

Einsatzbereiche

Der häufigste Einsatzbereich für interkulturelle Dolmetschende liegt eindeutig im Gesundheitsbereich, vor allem in Spitälern. Da viele Patientenzimmer mittlerweile modern mit Tablets und Internet ausgestattet sind, ist auch das interkulturelle Dolmetschen per Video immer häufiger anzutreffen. Im Gesundheitsbereich sind interkulturell Dolmetschende zum Beispiel wichtig, um Fachpersonen eine erfolgreiche Anamnese zu ermöglichen, Zielpersonen das Vorgehen in kritischen Situationen genau zu erklären oder in psychiatrischen Gesprächen für sensible Kommunikation zu sorgen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass interkulturell Dolmetschende oft einen echten Mehrwert gegenüber dem Einsatz von Familienmitgliedern oder Spitalpersonal, das ad hoc dazugezogen wird, bringen können. Bei dolmX finden Sie interkulturell Dolmetschende für viele Sprachen, die Ihnen dabei helfen können, erfolgreich mit Ihren Gesprächspartnern zu kommunizieren.

Die Bezeichnung interkulturelles Dolmetschen ist übrigens spezifisch für den Deutschschweizer Sprachraum. In Deutschland und Österreich spricht man meist von Dolmetschen im Gemeinwesen. Auf Französisch ist die Bezeichnung interprétariat communautaire geläufig, und im Italienischen spricht man von interpretariato interculturale.

Titelbild von Priscilla Du Preez auf Unsplash

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